Der UVW trauert um Georg Krücken
Foto: Sonja Rode
Der Verlag trauert um Georg Krücken, einen Mitherausgeber unserer Zeitschrift Das Hochschulwesen, der nach längerer schwerer Krankheit am 7.10.2024 schon mit 62 Jahren von uns gegangen ist. Er war zuletzt Geschäftsführender Direktor des International Centre for Higher Education Research Kassel (INCHER-Kassel) und Professor für Hochschulforschung an der Universität Kassel (Fachbereich Gesellschaftswissenschaften). Als Soziologe und Hochschulforscher hat er zahlreiche Forschungsprojekte im Bereich der Hochschul-, Wissenschafts- und Organisationsforschung durchgeführt und vielfach zu diesen Themen publiziert.
Sein Ende hatte sich schon länger als fast unausweichlich angekündigt, und doch ist der Schrecken groß, wenn das Unglück dann eintritt und alle Pläne, neue Vorhaben, neue Lebensabschnitte beendet. Ich kenne ihn noch aus Bielefelder Tagen als Flurnachbar von Peter Weingart und hatte dann bei seinem weiteren Weg immer Verbindung zu ihm, auch in meiner Rolle als Verleger, denn ich hatte ihn schon 2013 als Autor und 2017 als Mitherausgeber unserer Zeitschrift Das Hochschulwesen gewonnen. In den 7 Jahren dieser Mitwirkung hat er durch Themenvorschläge und Gutachten zum Profil und hohen Niveau dieser Zeitschrift beigetragen. Wir haben gerade den Tod von Uwe Schmidt (Mainz) hinnehmen müssen – ebenfalls einem Mitherausgeber des HSW. Beide waren bei den Mitarbeiter*innen sehr beliebte und überaus fähige Kollegen, denen die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses immer ein besonderes Anliegen war.
Georg Krücken studierte im Doppelstudium und Doppelabschluss Soziologie (Dipl.) und Philosophie (MA) an der Universität Bielefeld, darunter auch ein Jahr an der Universität Bologna. Neugier zog ihn ins Ausland – früh hatte er den Wert solcher Erfahrungen erkannt. Er promovierte 1996 mit einem Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes über „Risikotransformation“ und wurde im Januar 2004 habilitiert, beides an der Fakultät für Soziologie in Bielefeld. Längere Forschungsaufenthalte verbrachte Georg Krücken in Stanford und Paris. 10 Jahre war er Mitglied des Instituts für Wissenschafts- und Technikforschung (IWT) der Universität Bielefeld, parallel 9 Jahre Gastlektor/Gastprofessor an der Universität Wien, Institut für Wissenschaftsforschung, dazu auch 8 Jahre Sprecher und Koordinator des Network of European Centres in Science and Technology Studies (NECSTS). 2004 war er Mitbegründer und seitdem einer der drei Sprecher des interdisziplinären und internationalen Forschungsnetzwerkes „New Institutionalism“. Sein Rat war gesucht: Er war Mitherausgeber verschiedener Fachzeitschriften, Mitglied in Beiräten und Expertenkommissionen, ab 2014 einige Jahre 1. Vorsitzender der Gesellschaft für Hochschulforschung e.V. (GfHf). Vor seinem Ruf an die Universität Kassel 2011 hatte er den Stiftungslehrstuhl für Wissenschaftsorganisation, Hochschul- und Wissenschaftsmanagement an der damaligen Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften (DHV) Speyer inne.
Das Profil seiner Forschung und das seiner Mitstreiter*innen in Kassel lässt sich zusammenfassen mit: theoriegeleitet, langfristig, international und interdisziplinär orientiert. Er hat zahlreiche Projekte auf den Weg gebracht, wie sein umfangreiches Schriftenverzeichnis ausweist. Für ihn persönlich besonders wichtig war die erfolgreiche Einwerbung der von ihm initiierten DFG-Forschungsgruppe „Multipler Wettbewerb im Hochschulsystem“, eine brandaktuelle Thematik. Die Forschungsgruppe konnte 2021 ihre Arbeit beginnen. Im Januar 2024 folgte die zweite Stufe der Förderung um weitere drei Jahre. Zu seinen eigenen Schwerpunkten hatte er bei seiner Vorstellung als neues Mitglied im Herausgeberkreis des HSW als ein zentrales Thema angegeben: „die Entwicklung europäischer Universitäten von eher lose gekoppelten und durch akademische Selbstverwaltung koordinierten Einrichtungen hin zu handlungs- und strategiefähigen Organisationen. Dabei liegt ein besonderes Interesse auf Fragen des Wettbewerbs.“ Von daher war es naheliegend, dass sich Georg Krücken an dem von mir herausgegebenen OA-Sammelband: Überzogener und überhitzter Wettbewerb in der Wissenschaft. Wissenschaftsförderung und ihre Irrwege mit seinem Artikel: Multipler Wettbewerb in Hochschule und Wissenschaft – Ursachen, Herausforderungen, Perspektiven beteiligt hat, der 2023 erschien. Auch an dem jetzt erscheinenden, von mir betreuten OA-Sammelband: Entwicklung und Stand der Hochschulforschung in Deutschland. Hochschulen erforschen sich selbst – oder gerade auch nicht! ist Georg Krücken (dann schon posthum) mit einem ursprünglich als Überblick für China geschriebenen Text beteiligt: 40 Jahre Hochschulforschung in Deutschland – ein Überblick mit eigenen Schwerpunkten.
International vernetzt, war Georg Krücken im internationalen Austausch ein höchst angesehener Kollege. Aber auch nach innen, in das Zentrum hinein, war er in seiner Leitungsfunktion ein überaus beliebter, anspruchsvoller, aber auch hilfreicher Wissenschaftler. Viele der von ihm geförderten jungen Kolleginnen und Kollegen haben mittlerweile eigene Professuren übernommen.
Wir verabschieden uns von einem rundum geschätzten Kollegen.
Wolff-Dietrich Webler