Wolff-Dietrich Webler (Hg.)
Überzogener und überhitzter Wettbewerb in der Wissenschaft
Wissenschaftsförderung und ihre Irrwege
Reihe Hochschulwesen: Wissenschaft und Praxis
Bielefeld 2024, 218 Seiten,
ISBN (E-Book): 978-3-946017-54-7, € 0,00
DOI: 10.53183/97839460173547
Lizenzhinweis:
Der vorliegende Band analysiert die Schwächen der Forschungsfinanzierung an den Universitäten in Deutschland. Die Überhitzung der Drittmittelförderung wird untersucht und kritisiert.
In einem Hochschulsystem, dessen Grundausstattung für seine Aufgaben bei 40% der erforderlichen Finanzen gehalten wird, damit sich die Wissenschaftler*innen die restlichen 60% als Drittmittel einwerben (müssen), herrscht ständiges Projekte entwickeln und Anträge schreiben, von denen nur unter 30% eine Chance haben, gefördert zu werden. Also müssen immer neue Projekte entwickelt und Anträge geschrieben werden. Insgesamt bleiben ca. 22% der Arbeitszeit für die eigentliche Forschung übrig. Wettbewerb wird zum Schlüssel für alles erklärt und bildet auch die Grundlage für die leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM). Spätestens seit dem Versuch, (Markt-)Modelle aus der Ökonomie auf die Wissenschaft und auf Hochschulen zu übertragen, hat sich eine lebhafte Kontroverse über die Übertragbarkeit solcher Modelle entwickelt. Die einen sprechen von Förderung, die anderen von Nicht-Übertragbarkeit auf einen non-profit-sector und im Gegenteil: von Behinderung. Besondere Schärfe nahm die Auseinandersetzung an, als die „Exzellenz-Initiative“ das ursprünglich als Einheit gedachte Universitätssystem weiter ausdifferenzieren und in Exzellenz-Stufen hierarchisieren wollte. Leitgedanke war zunächst der Plan, 1-3 Universitäten weltweit sichtbarer, ja sogar zu führenden Universitäten zu entwickeln. Die Idee wird der Politik zugeschrieben, dem damaligen Bundeskanzler Schröder und der damaligen Bundesforschungsministerin Bulmahn. In den Evaluationsergebnissen (dem Imboden-Bericht) wurden die Ziele deutlich relativiert. Die Ideen von der Exklusivität (nur) einzelner Universitäten statt besserer Qualitätsentwicklung für alle sind jedoch nach wie vor präsent. Der vorliegende Band konzentriert die Argumente für eine breitere Entwicklung und prüft aus unterschiedlichen Perspektiven, welche Auswirkungen Wettbewerb in seiner gegenwärtigen Form für die Wissenschaft hat und haben kann. Damit kann er wesentlich zu einer neuen Entscheidungsqualität beitragen.
Wir beobachten, dass Ungleichheit nicht nur festgestellt wird, sondern daraus - insbesondere von der Hochschul- und Finanzpolitik - gegensätzliche Schlussfolgerungen gezogen werden. Statt Schwächen - festgestellt in der Differenz zu Qualitätsstandards - zum Anlass für finanzielle und konzeptionelle Investitionen zu nehmen mit dem Ziel der Verminderung der Differenz, werden sie zur Begründung der Fortschreibung von Leistungsdifferenzen benutzt. Statt ausreichender Finanzierung für alle wird ein Köder für wenige angeboten. Oder anders ausgedrückt: Das Ganze dient auch noch zur (Schein-)Rechtfertigung der Unterfinanzierung der Hochschulen, indem nur die Besten besser ausgestattet werden und der Abstand erhöht wird, statt ihn durch Investition zu reduzieren. Die Erzeugung bzw. Erhöhung von Differenz ist ein typisches Muster ökonomischer Auffassung von Wettbewerb. In gesellschaftlichem Interesse wäre stattdessen nahe Vergleichbarkeit bei der Bildung und Ausbildung der nächsten Generation.
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